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Mut zum Neuanfang: für einen regenerativen Wandel

Wir schreiben das Jahr 2021, kurz vor der Bundestagswahl. Was für eine Zeit. Während die Klimakrise sich täglich verschlimmert und Millionen vor Hunger und Krieg auf der Flucht sind, werden an den Börsen Milliardengewinne gemacht. Es könnte die letzte wirklich freie Wahl sein, denn die Einflussnahme der Antidemokraten weltweit ist auf dem Vormarsch – politisch und wirtschaftlich. Wir erleben gerade eine weltweite Orientierungslosigkeit, Paralyse und Angst. Ich bin davon überzeugt, dass wir aus den vielen Krisen nur herausfinden, indem wir die Wunden der Vergangenheit heilen: eine männlich dominierte Welt, eine postkoloniale Welt und eine Welt, die von fossiler Energie abhängig ist. Wir müssen aber auch den Mut aufbringen uns die Welt neu vorzustellen, sie zu regenerieren und uns vor Ort, lokal und regional, zusammen neu zu erfinden. Es ist an der Zeit für einen regenerativen Wandel in Gesellschaft und Wirtschaft, jenseits der vielen leeren Nachhaltigkeitsversprechen und immer gleichen Lösungsansätze.

Von Jean-Philippe Steeger, Gründer von Perspectivist

Der Wahlkampf 2021 findet zu einer wahrlich historischen Zeit statt. Wir stehen an einer Zeitenwende, einer Wahl zwischen Destruktivität und Regeneration. Einer Wahl zwischen einem Weiter-So und einem Neuanfang. Einer Wahl zwischen immer gleichen Antworten oder neuen Fragen. Wahrscheinlich ist es das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass wir so große Herausforderungen meistern müssen, die jenseits unserer Vorstellungskraft liegen. Es ist aber auch das erste Mal, dass so viele Menschen sich den Problemen bewusst sind und die Fähigkeiten mitbringen diese zu bewältigen. Wir müssen nun aber diese verschiedenen Talente, Ideen und (häufig schon existierenden) Lösungen zusammenbringen – als Gestalter und Designer einer regenerierenden Gesellschaft und Wirtschaft, die ihr wahres Potential erkennt und freisetzt. Wir können die Welt, genausowenig wie Deutschland, nicht mit einem Masterplan retten. Sie ist zu groß, wie es Jenny Andersson auf den Punkt gebracht hat. Was wir machen können, ist es Orte zu verändern und andere zu inspirieren es ebenfalls zu tun. Nur dann können wir Deutschland und die Welt nachhaltig verändern.

Wenn wir uns die heutigen Probleme anschauen und (politisch) zu Lösungen kommen wollen, passiert das meistens aus einer bestimmten Perspektive. Stark vereinfacht gesagt: Liberale sehen Möglichkeiten durch individuelle Freiheit. Konservative streben nach Stabilität. Linke nach Solidarität. Und Grüne wollen die Natur schützen. Da unser politisches System sehr auf Wettbewerb ausgerichtet ist, klappt es aber leider nicht oft damit voneinander zu lernen und sich zu ergänzen, um wirklich etwas zu bewegen. Stattdessen ist es ein Kampf um „die eine“ und die eigene Wahrheit. Wir würden gut daran tun zu lernen, wie man voneinander lernt. Nur dann können wir verhindern immer wieder die gleichen Fehler zu machen. Hier ein bischen mehr Markt, dort mehr Staat oder es einfach alles Durchdigitalisieren wird's schon richten - das klappt nicht.

Diese einseitigen Perspektiven sind auch beim Klima problematisch. Eigentlich scheint mit CSR, ESG und anderen Nachhaltigkeitsversprechen ja alles gut – es wird zumindest etwas gemacht. Leider haben diese Konzepte aber nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun und daher beschleunigt sich der destruktive Trend bei Emissionen oder dem Überschreiten der planetaren Grenzen. Aus einer rein neoklassich-ökonomischen Perspektive machen diese Konzepte aber Sinn. Was klar sein dürfte ist, dass man kann die Klimakrise nicht isoliert betrachten kann. Die aktuellen Krisen weltweit haben sehr viel mit ihr zu tun und das wird leider heute viel zu selten berücksichtigt, in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

- China: Jahrzehntelang haben westliche Unternehmen ihre Produktion nach China ausgelagert und Konsumenten von vielen günstigen Produktimporten profitiert. Das hat z.B. in Europa auch zu einem Rückgang der Treibhausgasemissionen geführt. China hat viel vom Amerikanischen, BIP-besessenen Modell gelernt, und ist heute Weltmeister in vielem, das die Klimakrise anheizt. Da das Thema Menschenrechte, Demokratie und Klimaschutz in den internationalen Beziehungen aber nie ein Thema war, hat der Westen massiv dazu beigetragen ein (digital unterstützes) totalitäres Regime mit aufzubauen. Heute sind in China eine Millionen Uiguren in „Umerziehungslagern“ inhaftiert – von vielen auch als (zumindest) kultureller Genozid bezeichnet. Nun kommt die westliche Blindheit in Bezug auf China brutal zurück: militärisch, wirtschaftlich und politisch. Opportunisten wie in Ungarn profitieren von der Unglaubwürdigkeit des Westens, um ihre autoritäre Agenda durchzusetzen.

- Coronavirus: Auch wenn der Ursprung des Virus nicht abschließend geklärt ist, deutet vieles darauf hin, dass es im Zusammenhang mit Tierqual (auf dem Fleischmarkt) und / oder der Abholzung von Wäldern zusammenhängt, die das Überspringen des Virus auf den Menschen erst möglich gemacht hat. Wirtschaftliche Milliardenverluste wurden durch Corona in Kauf genommen, während fast nichts in den Schutz von Wäldern investiert wird, auch um zukünftige Pandemien zu verhindern. Die Zerstörung von Wäldern und anderen Naturhabitaten beschleunigt den Klimawandel stark.

- Gesundheit: Der Einfluss der Natur auf unsere Gesundheit ist vielleicht auch dank der Coronakrise mehr ins Bewusstsein gerückt. Viele Studien zeigen wie wichtig der Kontakt mit der Natur für die physiche und mentale Gesundheit ist. So regulieren ätherische Öle von Pflanzen unseren Hormonhaushalt und beugen stress vor. Depressionen können sich durch Therapien wie Waldbäder stark verbessern. Und Naturmedizin hat den großen Vorteil keine oder wenig Nebenwirkungen zu haben und keine Resistenzen zu erzeugen. Die Liste ließe sich lange fortsetzen, aber es zeigt nur, dass wir als Menschen Teil der Natur sind und unsere Gesundheit direkt von ihrer Gesundheit abhängt.

Diese Beispiele unterstreichen nur wie wichtig es ist ganzheitlich an unsere heutigen Herausforderungen heranzugehen. Während die Probleme vielleicht groß erscheinen mögen, so ist der erste Schritt schon getan, indem ein Bewusstsein dafür geschaffen wird. Als Menschheit wissen wir natürlich schon seit 70 Jahren vom Klimawandel – warum also ist nichts geschehen? Auch das hängt viel mit der Wahrnehmung ab – aus welcher Perspektive wir die Welt wahrnehmen. Bis heute schienen diese Probleme nicht dringend und wohl auch nicht zusammenhängend. Es muss erst ein innerer Wandel stattfinden, bevor er draußen seine Früchte trägt und auch größere Veränderungen herbeileitet. Gerade deswegen ist es so wichtig zu verstehen aus welchem Weltbild unser Denken und Handeln entspringt.

Das Weltbild oder Paradigma, das viele heute verinnerlicht haben zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: Kurzfristigkeit, Wettbewerbsdenken, linearer Fortschrittsglaube und ein mechanistisches Verständnis der Welt und ihrer Zusammenhänge. Dieses gründet auch in den Ideen der Aufklärung, die uns von der Natur entfernt hat und uns als rational-ökonomisches Wesen sieht. Es ist ein Weltbild, das an Schulen gelehrt wird, die seit dem 19 Jahrhundert bis heute immer noch eher nach Fabrik als nach Kinder- oder jungendzentrierter Lernstätte aussehen. Auch in BWL, VWL oder Management-Schools kann man den Eindruck gewinnen, dass Menschen und Organisationen Dinge sind, die man nur richtig „in Gang“ bringen muss. Es ist dieses industrielle Weltbild, das uns in die Klima- und Umweltkrise gebracht hat. Als wären wir - ach so rationalen - Menschen etwas anderes als die Natur. Und schließlich könnte es auch dieses Weltbild sein, das das Weltwirtschaftssystem in selbstzerstörerischer Weise lahmlegen wird.

Demgegenüber steht der regenerative Ansatz, der sich an lebenden Systemen orientiert, an denen wir teilhaben. Statt, wie auch viele Grüne, uns als externe „Retter“ der Umwelt und des Klimas zu verstehen, lädt dieser Ansatz uns ein zu hinterfragen, warum wir nicht als Teil der Natur handeln, mit der Natur, statt für sie. Das mag banal klingen, hat aber sehr konkrete Auswirkungen in der Art und Weise, wie wir etwa planen, bauen oder zusammenleben.

Wir können uns ein „Weiter-so“ nicht mehr leisten. Gleichzeitig sollten wir aufpassen nicht hysterisch in einen Lösungsmodus zu geraten, der uns weiter in die falsche Richtung treibt. Es ist an der Zeit unser Weltbild zu hinterfragen und den Mut aufzubringen das lebendige in uns zu spüren, es zu leben und es zu teilen. Nur dann können wir uns zusammenzusetzen, um es anders zu machen, um neue Möglichkeiten für die Orte in denen wir leben und arbeiten zu sehen. Wir haben alle unseren Teil zu einer lebenswerteren und regenerierenden Welt beizutragen – mit all unseren Differenzen, Fähigkeiten und Ideen. Und wir können andere dabei unterstützen Kompetenzen und eigenes Potential (auch von Organisationen) zu entwickeln.




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